13. Juni 2018, VENTOUXMAN Frankreich (2/95/20)

Mittlerweile war ich schon zehnmal am Start beim Ironman in Rapperswil, für mich ein Grund etwas Neues auszuprobieren. So habe ich mich entschlossen, am VENTOUXMAN-Triathlon in Frankreich teilzunehmen.

Es hat mich schon immer gereizt, einmal mit dem Velo auf den Mont Ventoux zu fahren. Dieser Berg in der Provence ist ja eine Legende in der Tour de France! Vor einigen Jahren sind Brigitte und ich mit dem Auto hochgefahren. Die Begeisterung hielt sich bei mir in Grenzen, da ich damals schon lieber auf dem Velosattel den Berg hochgefahren wäre.

 

Am letzten Sonntag war es dann soweit. Früh morgens sind wir am Lac de Piboulo in Piolenc zur Wechselzone marschiert. Tags zuvor hatte ich hier mein Velo deponiert. Organisatorisch ist hier alles etwas einfacher als bei den Ironman-Rennen, doch muss man sich auch immer selber erkundigen, wie das Ganze im Detail ablaufen soll!? Zum Glück hatte ich meine private Dolmetscherin dabei. Ein Briefing wurde zehn Minuten vor dem Schwimmstart abgehalten und brachte keine grossen Neuigkeiten mehr.

 

Um 07.35 Uhr fiel der Startschuss für uns und etwa 700 Athleten paddelten los. Ich befand mich mitten im Gedränge und es wurde wacker gekeilt. Nach etwa 200-300 Metern stellte ich „verwundert“ fest, dass es ein Mitstreiter geschafft hatte, mir den Reissverschluss am Neopren zu öffnen und dies bis ganz nach unten. Der Anzug füllte sich mit Wasser und die Schulterpartien hingen herunter! An ein weiter schwimmen war so nicht zu denken und ich überlegte mir, ob ich schon aufhören soll oder ob es eine Lösung für dieses Problem gibt? Wer weiss, wie mühsam das Anziehen eines Neoprenanzuges ist, kann sich vorstellen. ob so etwas im Wasser noch möglich ist. Ich versuchte es mit weiter schwimmen, was leider nicht wirklich funktionierte. Also begann ich mit Tauchversuchen und probierte die Leine mit dem Reissverschluss hoch zu ziehen. Nach zahlreichen Fehlversuchen gelang es mir tatsächlich, den Reissverschluss bis auf wenige Zentimeter zu schliessen. Zwischenzeitlich befand ich mich ganz am Schluss des Feldes und versuchte den Anschluss wieder zu finden. Zu diesem Zeitpunkt war ich nur noch am Hächeln und am Fluchen und versuchte mich einigermassen zu beruhigen. Ich hoffte, dass mit den ersten Kraulbewegungen der Anzug dort verblieb wo er sein sollte und es passte allmächlich. Nun folgte für mich ein völlig neuartiges Schwimmgefühl. Als schwacher Schwimmer kenne ich das überholen von anderen Schwimmern kaum und jetzt konnte ich einen Athleten nach dem anderen einholen und vorbei schwimmen, also doch noch ein ganz wenig Spassfaktor und Motivation.

 

Als die zwei Kilometer hinter mir lagen, hoffte ich nur, dass dies die einzigen Probleme des Tages sein würden. Der Weg zum Wechselplatz war ganz kurz und schon bald konnte ich mich von meinem Schatz verabschieden und loskurbeln. Am Vortag sind Brigitte und ich die Velostrecke mit dem Auto abgefahren und so wusste ich in etwa was auf mich zukommt. Auf den ersten Kilometern muss man immer wieder schauen, dass man sauber fährt und die Windschattenregeln einhalten kann. Mit der Zeit zieht sich dann das Feld auseinander und man kann sich mit seinem Rhythmus beschäftigen. Mir lief es sehr gut und ich konnte vorwiegend die Ueberholspur benutzen. Die Strecke führte durch bekannte Weinbaugebiete und ich träumte schon vom Degustieren. In Gigondas jedoch war ein Weinbauer mit dem Spritzen/Gifteln seiner Reben beschäftigt und ich fuhr durch eine stinkende Giftwolke welche sich als Niederschlag auf meine Brille zeigte.  ………..  Wie war dies jetzt mit dem Degustieren? Hier lieber doch nicht und dafür volle Konzentration auf meinen Wettkampf. Bei Kilometer fünfzig musste ich mir sagen, dass ich besser etwas Tempo heraus nehme, denn es folgten ja noch happige Kilometer mit dem Anstieg zum Mont Ventoux. Nach etwa 65 km, nach Bédoin begann der Anstieg. Hier war auch Brigitte am Streckenrand und feuerte mich an. Mir ging es hier immer noch sehr gut und ich war zuversichtlich, dass ich gut den Berg hoch komme. Diese Meinung änderte sich etwa bei km 80, hier waren meine Beine einfach „leer“ und ich schlich im kleinsten Gang den Berg hoch. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen den Gipfel mit einer guten Frequenz hoch zu pedalieren und nicht den Gipfel anzuschleichen. Ursprünglich war ich der Meinung, dass ich etwa bei Kilometer 84 auf dem Gipfel sei, bis dahin waren es jedoch noch etwa fünf Kilometer mehr. Eeeendlich oben angekommen war es sehr frisch und ich machte mich auf die etwa sechs Kilometer lange Abfahrt bis zur Wechselzone. Brigitte, mein treuester Fan, wünschte mir nochmals Glück und ich nahm die letzten Kilometer unter die Räder. In der Wechselzone herrschte Hochbetrieb und ich stellte mit klammen Fingern mein Velo bei meinem Wechselplatz ab. So schnell als möglich Schuhe wechseln und ab geht’s.

 

In der Ausschreibung stand, dass die Laufstrecke auch nochmals 420 Höhenmeter aufweist und ich war eigentlich darauf vorbereitet. Wir mussten 4 Laufrunden absolvieren und die Strecke war für mich knallhart. Es war wirklich ein Trail-Running-Kurs, bergab und bergauf, über Stock und Stein. Mir wurde schnell bewusst, dass dies mit meinen „leeren Batterien“ kein Zuckerschlecken würde. Die erste Runde lief ganz passabel, in der zweiten Runde musste ich einem Stein ausweichen und machte eine unkontrollierte Bewegung, mit der Folge von Oberschenkel-Muskelkrämpfen in beiden Beinen ……….. Auutsch! Es dauerte ein Weilchen, bis ich wieder loslaufen konnte und mein innerer Schweinehund sagte mir: Heute wird es besonders hart. Brigitte munterte mich am Schluss jeder Runde wieder auf und dies tat mir sehr gut. In Runde drei kämpfte ich diverse Male gegen Krämpfe und versuchte immer wieder in den Laufschritt überzugehen. Ziemlich ausgepumpt machte ich mich auf die letzte Runde und motivierte mich immer wieder mit dem bevorstehenden Zieleinlauf. Einmal noch ein Ausrutscher mit einer Landung auf allen Vieren im Dreck, zusätzlichen Wadenkrämpfen, aufrappeln und nochmals versuchen letzte Energien frei zu machen. So k( r )ämpfte ich mich zum Zieleinlauf durch und war überglücklich, dass ich das Rennen fertig gebracht hatte. Im Ziel wurde ich von Brigitte erwartet und mit dieser Umarmung war doch die Welt wieder in Ordnung.

 

Der VENTOUXMAN war für mich wirklich ein Erlebnis-Wettkampf und bestätigte mir, dass ich keine „Bergziege“ bin und auch keine mehr werde. Ich bin froh, dass ich dieses Rennen mitgemacht habe und werde es in guter Erinnerung behalten.

 

Kurz bevor wir uns auf den Retourweg mit dem Auto machten, entschlossen wir uns, noch im Zielbereich nachzuschauen, ob es schon eine Resultatliste gibt. Diese haben wir gefunden und zu meinem Erstaunen sahen wir, dass ich den ersten Rang in meiner Kategorie Masters 5 erreicht habe. So geht der Tag doppelt schön zu Ende.

 

 

Thomas LEDI